Wolfsburger Allgemeine vom 02.05.2025
Axel Krauße stellte sich beim „Talk im Foyer“ vor
Der künftige Intendant des Theaters gab Einblicke in seine Arbeit
Von Robert Stockamp
Dorothea Frenzel stellt den neuen Intendanten Axel Krauße vor.
FOTO: ROLAND HERMSTEIN
Einige haben ihn schon im Theater gesehen. Da verhielt er sich eher zurückhaltend und
unauffällig. Nun stellte sich der zukünftige Intendant des Scharoun Theaters, Axel Krauße,
beim „Talk im Foyer“ des Theaterrings den Fragen der Moderatorin und des Publikums und
zeigte sich dabei sehr offen. Was sich schon jetzt sagen lässt: Es wird sich erst einmal nichts
Wesentliches ändern, aber es darf gespannt in die Zukunft geblickt werden. Das taten auch
die mehr als 120 Besucher der Veranstaltung.
Es ist seine erste Station als Intendant eines Bespieltheaters, dabei tritt er in einigermaßen
große Fußstapfen. Günther Penzoldt, Intendant von 1983 bis 1991, stärkte vor allem das
Musiktheater und die klassische Sparte. Hans Thoenies, der lange Jahre auch Präsident des
Bespieltheaterverbands Inthega war, nutzte seine Kontakte, um das Haus zu einem Zentrum
für Gastspiele zu machen und durfte sich lange rühmen, das Bespieltheater mit der höchsten
Auslastung deutschlandweit zu führen.
Im Jahr 2008 folgte auf ihn Rainer Steinkamp, der nach Dirk Lattemann das Haus 2023 erneut
übernahm. Steinkamp modernisierte den Spielplan, führte unter anderem die erfolgreiche A-
Cappella-Reihe ein und vernetzte das Haus enger mit der Stadtgesellschaft. Im Jahr 2020 war
Lattemann angetreten, um mit neuen Wegen das Haus in die Zukunft zu führen. Er schuf als
erstes Haus eine Kooperation mit dem Berliner Ensemble, engagierte mehr freie Theater und
brachte spannende experimentelle Inszenierungen ins Haus. Intern knisterte es allerdings
sehr, sodass er sich als Intendant nicht halten lies.
Nachdem Steinkamp ad hoc die Geschäfte wieder übernahm, wird es nun also Axel Krauße,
der sich im Gespräch mit Dorothea Frenzel, Vorsitzende des Theaterrings, sehr offen und
zugänglich zeigte. Krauße ist eher ein Mann der leisen Töne. Er zeigte sich als guter Zuhörer
und ging auf alle Fragen von Frenzel und aus dem Publikum ein.
Bedächtiges Vorgehen
Was man von ihm erwarten darf, ist ein bedächtiger Umgang mit dem Haus. Am nächsten
Spielplan, den naturgemäß hauptsächlich Rainer Steinkamp gestaltet hat, wird er nicht
rütteln. Er möchte, so machte er klar, erst einmal schauen, wie das Publikum auf die
Inszenierungen reagiert, um sich dann ein klares Bild zu machen-
Was ihm aber irgendwie schon anhaftet, ist die Leidenschaft für Ensembletheater. Das hat er
die vergangenen Jahre gemacht. So ganz möchte er nicht davon lassen. Auch in Zeiten
knapper Kassen gäbe es sicher Möglichkeiten, war sich Krauße sicher. Er verwies auf das sehr
gut gelaufene Weihnachtsmärchen, das in der vergangenen Spielzeit trotz immens vieler
Aufführungen schnell ausverkauft war.
Mitwirken des Theaterrings
Er könnte sich vorstellen, im Laufe der Zeit ein kleines Ensemble aufzubauen, das auch im
Weihnachtsmärchen mitwirkt, aber auch in Formaten wie Lesungen agieren könne. Apropos
Lesungen: Dieses Format des Theaterrings läuft mittlerweile sehr gut. Noch mit Lattemann
hatte der Theaterring, seit jeher Förderer des Hause, eigene Formate verhandelt. Diese wird
es auch in Zukunft weiter geben.
Der Theaterring, der ja auch den Talk organisiert hatte, spendet nicht nur Geld an das
Scharoun Theater, sondern gestaltet inzwischen auch mit. Noch unter Thoenies, der das Haus
sehr autokratisch führte, war nicht einmal die Mitgliederversammlung im Haus angesiedelt.
Unter Steinkamp kam die Annäherung, Lattemann zeigte sich offen für weitere Vorschläge,
wie auch „Klassik für alle“. Nun scheint klar zu sein: Auch unter Krauße darf der Theaterring
weiter mitgestalten.
Lust auf mehr Spielflächen
Das hat auch mit der Faszination des künftigen Intendanten mit dem Haus zu tun: Er sieht
viel Potenzial für verschiedene Spielorte. Man darf annehmen, dass Foyer und auch der
Außenbereich in Zukunft stärker bespielt werden. Aus persönlichen Gesprächen mit
Mitarbeitern des Hauses abseits des Talks war herauszuhören, dass auch die Lust auf mehr
Spielfläche haben. Es kann in Zukunft also durchaus spannend werden, aber nicht sofort,
denn Krauße wird bedächtig vorgehen.
Steinkamp hatte mit viel Vernetzung zum Beispiel mit dem Spielort Hallenbad das Haus zur
Stadtgesellschaft hin geöffnet. Lattemann hatte das fortgeführt, allerdings mit suboptimaler
Kommunikation. Von Axel Krauße darf erwartet werden, dass er diese junge Tradition
fortführt. Er gehe gern auf den Markt, erklärte er. Er komme gerne mit den Menschen ins
Gespräch. Er wird auch nach Wolfsburg ziehen. Das war einer der Kritikpunkte an dem in
Freiburg lebenden Lattemann. Der Aufsichtsrat hatte den Umzug als eines der Kriterien zur
Einstellung festgelegt.
Axel Krauße, 1971 in Langenhagen geboren, prägte das Zimmertheater Tübingen mit Mut zu
Uraufführungen und eigener Handschrift, später das Theater Ansbach mit regionaler Kraft. Er
wurde mit der Uhland-Plakette ausgezeichnet. Er ist ein Theatermann mit Gespür für
Gegenwart und Sprache.
Wolfsburgs neuer Theater-Intendant wägt ab und
experimentiert
Von Hans Karweik
Dorothea Frenzel im Talk mit Axel Krauße, dem neuen Intendanten des Wolfsburger Scharoun-
Theaters.
© regios24 | Lars Landmann
Der künftige Theater-Intendant Axel Krauße stellte sich im „Talk im
Foyer“ im Scharoun-Theater vor – und erklärt, wie er sparen will.
Spricht der künftige Wolfsburger Theater-Intendant Axel Krauße über Tübingen oder Ansbach,
weiß er, wovon er spricht. In beiden süddeutschen Städten hat der 1971 in Langenhagen bei
Hannover geborene Theatermann Erfahrungen gemacht, Neues eingeführt, sich auf die
örtlichen Gegebenheiten und gesellschaftlichen, auch bundesweiten Entwicklungen eingestellt:
eigene Inszenierungen, Aufbau eines Ensembles, moderne Uraufführungen statt großer
Klassiker, Aufführungen außerhalb des eigenen Hauses an anderen Orten.
Davon erzählt er analytisch, sachlich erklärend, die Umstände berücksichtigend, Ergebnisse
darlegend. Am Sonntagvormittag während des „Talk im Foyer“ im Scharoun-Theater,
interviewt von Dorothea Frenzel, Vorsitzende des Theaterrings. Die Pädagogin ebnete ihm den
Weg, indem sie assoziativ „diesen wunderschönen Morgen“ (blauer Himmel, strahlende Sonne
außerhalb der langgestreckten Glasfassade) mit dem Morgen seiner Intendanz verglich.
Axel Krauße bittet Wolfsburger Publikum, ihm Zeit zu geben
Offiziell am 1. September wird Axel Krauße Geschäftsführer und Intendant des Scharoun-
Theaters, folglich dann wirtschaftlich und künstlerisch verantwortlich sein. Zum noch vom
scheidenden Intendanten Rainer Steinkamp erstellten Spielplan bekannte er sich inhaltlich:
„Ich will und kann nur wenige Veränderungen vornehmen“.
Spricht er sodann über Wolfsburg, ist er sehr vorsichtig, zurückhaltend, bittet nicht nur das
Publikum, ihm Zeit zu geben, um „die Chance, zu sehen, was läuft und warum,
auszuprobieren, ob etwas ankommt, welche Möglichkeiten sich eröffnen“. Krauße ist kein
Mann schneller, oft rasch überholter, nicht einhaltbarer Aussagen – kein Trump-Typ. Er wägt
ab, bedächtig, nachdenklich, prüfend. Danach äußert er sich gern: „Das Scharoun-Theater ist
ein funktionales und schönes Haus, klug gebaut.“ Er habe es fachkundig geführt
kennengelernt.
Wolfsburgs neuer Theater-Intendant: „Ich setze auf Qualität“
Als Intendant werde er vorsichtig erkunden, inwieweit das Foyer für Aufführungen, Lesungen,
Musik noch mehr genutzt werden könne, ob auch das Außengelände stärker einbezogen
werden könne. „Scharouns Entwürfe wurden ja nicht umgesetzt“, sagt er und präzisiert
sogleich, dass diese „die andere Seite“, also nicht den an der langen Glasfront liegenden
Hang, betrafen. Als Geschäftsführer sieht er darin Einspar-Potenziale, denn mit kleineren
Ensembles könne man Kosten senken. Deshalb favorisiert Krauße, auch in Wolfsburg eine ans
Haus gebundene Schauspielergruppe zu haben. Auch weil „die Finanzlage schwierig ist“, aber
die Gagen für Einladungs-Theater um ein Drittel gestiegen seien.
„Gewinne hat man hier mit dem Weihnachtsmärchen gemacht“, hebt Geschäftsführer Krauße
hervor, die Fixkosten (Technik, Personal, Werbung) würden durch die Stadt Wolfsburg und
Volkswagen gedeckt. Insofern müssen die Gastspiele insgesamt bei „null aufgehen, also die
teuren durch billigere finanziert werden“. Das sei zunehmend nicht einfach. „Aber ich setze
auf Qualität“, betont er als künftiger Intendant.
Axel Krauße will auch am Theater Wolfsburg experimentieren
In Tübingen brachte der Regisseur Krauße 2009 seine Bearbeitung von Walter Jens‘
Fernsehspiel „Der tödliche Schlag“ heraus, verlegte 2010 seine Inszenierung „Die
Unterrichtsstunde“ von Eugène Ionescu in einen Hörsaal. „Wie Rainer Maria an die Front
kam“, von ihm aus dokumentarischen Texten zusammengesetzt und inszeniert, wurde 2015
für den Monika-Bleibtreu-Preis nominiert.
Axel Krauße wird auch in Wolfsburg experimentieren, gestützt auf sein Studium („Ich bin
Historiker“), seine bisherigen Erfolge und zu gewinnenden Erkenntnisse über die hiesige Lage.
Mit viel Sensibilität, denn „Theater heißt Austausch, Begegnung mit dem Publikum“. An
diesem Morgen ging er gut eine Stunde lang auf Fragen ein. Auch auf persönliche.
„Wissenschaftlich wollte ich nicht arbeiten, weil ich Fußnoten nicht mag.“
Wolfsburger Nachrichten vom 28.04.2025